GR10: Pyrenäen Tagebuch #1 Unterwegs im Pays Basque

Mit dem Zug reisen wir über Paris nach Hendaye an der Atlantikküste, hier beginnt die große Wanderung auf dem französischen Fernwanderweg GR10. In 6 Etappen laufen wir bis Saint-Jean-Pied-de-Port.

Anreise nach Hendaye, 19.9.23

Zug: Hanau – Frankfurt – Paris – Hendaye

Die Reise beginnt! Pyrenäen, wir kommen!

Erst kurzfristig haben wir den Plan mit dem Auto anzureisen verworfen und haben stattdessen ein Zugticket gekauft.

Das ist zwar teurer, dafür aber schneller und entspannter. Und wir müssen uns in Hendaye nicht um einen sicheren Stellplatz für das Auto kümmern. Auch die Fahrt zurück zum Auto von wo-auch-immer sparen wir uns.

Über die deutsche Bahn haben wir nur die Strecke Hanau/Frankfurt nach Paris im ICE gebucht, den Hund kann man mittlerweile online dazubuchen, er kostet 50%. Den Zug von Paris nach Hendaye (TGV INOUI) haben wir über die französische Bahn SNCF gebucht, das war günstiger. Der Hund fährt in Frankreich pauschal für 7€. Einen eigenen Sitzplatz hat er bei keinem der Züge.

Früh morgens stehen wir mit zwei voll gepackten Rucksäcken und einer Umhängetasche am Bahngleis. 16 kg in Tills Rucksack, 13 kg in meinem. Die Tasche mit dem Tagesproviant und Kleinzeug wiegt 3 kg. Haben wir uns bei der Ausrüstung aufs Nötigste beschränkt, schlägt der Proviant, aber vor allem das Hundefutter enorm zu Buche. 3,5 kg Hundefutter (2,5 kg plus 1 kg Knabbereien, Leckerli und Zubehör) für die ersten Wochen sind dabei.

Wir steigen ein, suchen unsere Plätze und Till verstaut den Rucksack im Gepäckfach direkt über den Sitzen. Mit Schwung wuchtet er den unförmigen Koloss nach oben.

Klong.

Die voll gefüllte Wasserflasche hat sich aus dem Seitenfach befreit und ist lautstark auf den Boden geplumpst. Getroffen wurde zum Glück niemand.

In Paris wechseln wir den Bahnhof von Est zu Montparnasse. In der Pariser Metro dürfen Hunde mitfahren. 13 Stationen in der vollen Metro mit einem ängstlichen Hund sind eine Herausforderung. Wir stehen im Gang, die Rucksäcke blockieren alles und wir versuchen Lola schützend zwischen unseren Beinen zu positionieren. Lola hält sich tapfer und legt sich nach erster Nervosität einfach hin und wartet bis wir endlich aussteigen.

In Paris haben wir ein paar Stunden Aufenthalt. Wir besorgen uns eine SIM-Karte für mobiles Internet, denn Till wird unterwegs weiterhin arbeiten und seinen Onlineshop betreuen. Der schwere, aber benötigte Laptop plus robuster, wasserdichter Hülle sind ebenfalls dabei. Dafür brauchen wir die bestmögliche Netzabdeckung. Reglo Mobile funktioniert im SFR-Netz und wir bekommen 110 GB für 12€ (plus 5€ SIM-Karte). Im E.Leclerc wird die Karte auch gleich registriert, die Frage nach der französischen Adresse verneine ich, es geht trotzdem.

Von Paris Montparnasse geht es dann mit dem TGV INOUI direkt weiter bis Hendaye. Da wir spät ankommen, hatten wir uns für die erste Nacht ein Hotelzimmer in Bahnhofsnähe mit spätem Check-In vorgebucht.

Nach 15h kommen wir entspannt in der Unterkunft an. Morgen starten wir direkt mit der ersten Etappe.

Mit dem Zug geht es gemütlich nach Frankreich
Anreise nach Hendaye mit Hund über Paris mit ICE und TGV

Etappe 1, 20.9.23: Hendaye – Biriatou – Col d’Ibardin – Ventas d’Ibardin – Col des Trois Fontaines

Tageskilometer, Aufstieg/Abstieg: 23 km, 1088/567

Übernachtung: Biwak „Les Trois Fontaines“, Wasser aus Fluss vorhanden, exponierte Lage

Heute starten wir auf dem Fernwanderweg GR10 durch die Pyrenäen. Auf ca. 930 km verläuft der Weg von der Atlantikküste in Hendaye bis Banyuls-sur-Mer am Mittelmeer. Der Wanderführer schlägt dafür 53 Etappen vor. Wir starten Mitte September und wollen laufen, bis der Winter oder andere Umstände die Reise unterbrechen.

Vom Hotel aus laufe ich im Dunkeln bis ans Meer zum alten Casino, dem Startpunkt des GR10. Außer mir und einigen Katzen ist kaum jemand unterwegs. Till und Lola schlafen sich im Hotel aus und werden später von mir abgeholt.
An der Promenade angekommen rieche ich das Meer, bevor ich es in der Dunkelheit sehe. Die Wellen donnern gegen die Mauer. Ich atme tief ein und fülle meine Lungen mit salziger Atlantikluft. Für einen Moment kann ich damit die vielen Fragen zur anstehenden Tour verdrängen. Wie anstrengend wird die Tour mit den vielen Höhenmetern? Ist Lola fit genug? Wie werden wir die Begegnung mit den Herdenschutzhunden (Patous) und Hütehunden meistern? Wie wird es klappen, wandern und arbeiten zu kombinieren – Lademöglichkeit für Handy und Laptop, Empfang und Internet unterwegs?

Zurück im Hotel stärken wir uns gemeinsam am Frühstücksbuffet mit Baguette, Croissant und Schokobrötchen, denn heute stehen bereits über 1000 Höhenmeter auf dem Plan.

Aus der Stadt heraus laufen wir über Biriatou. Typisch französisch gibt es eine öffentliche Toilette mitten im Ort, auf der wir gleich unsere bereits leere Wasserflasche füllen können. Die Sonne scheint und es ist heiß.

Dann geht es auch schon bergauf und das ziemlich steil and anstrengend. Lola läuft leichtfüßig, während wir mit den großen Rucksäcken nur langsam vorankommen. Dabei folgen wir dem alten Wegverlauf und sparen uns den zusätzlichen Anstieg zum Xoldokogaïna, um die Kräfte am ersten Tag etwas zu schonen.
Vom höchsten Punkt, dem Mandale haben wir eine hervorragende Aussicht auf den Atlantik und Saint-Jean-de-Luz. In einer Weggabelung stehen plötzlich Pferde auf dem Weg. Mit einer Glocke versehen, laufen sie hier frei herum. Lola führen wir an der kurzen Leine vorbei, sie hat Respekt vor den großen Tiere und wagt sich nicht zu knurren oder bellen.

Wir passieren die Grenze nach Spanien und kommen zu den sogenannten Ventas, einer Einkaufsstraße mitten in den Bergen. In einem Restaurant bekommen wir Mittagessen und bestellen auf einer Mischung aus französisch und spanisch. Lola freut sich über die Pause, bekommt einen Snack und streckt dann alle Viere von sich. Zwar sind wir hier auf spanischer Seite, aber die Mehrzahl der Gäste kommt aus Frankreich, die die günstigen Einkaufsmöglichkeiten nutzen. Der Wanderführer verrät, dass die Ventas von Nachfahren ehemaliger Schmuggelfamilien geführt werden, der hier bis ins 20. Jh hinein betrieben und geduldet wurde.

Statt der offiziellen Routenführung des GR10 bis Olhette zu folgen, kürzen wir die Route über eine südliche Variante ab. In Olhette hat die Unterkunft mit Campingmöglichkeit geschlossen, sodass wir direkt zum Col des Trois Fontaines laufen. Den Anstieg bewältigen wir nun über eine Asphaltstraße, die am Nachmittag unerträglich heiß ist. Der Aufstieg zum Berg La Rhune (888 m) bleibt uns erspart, aber den Zahnradbahn sehen wir von der Gegenseite hoch und runter fahren.

Am Col des Trois Fontaines suchen wir uns einen Platz für unser Zelt. Flach, geschützt, aber nicht unter den gebrechlichen Bäumen. Schließlich platzieren wir uns exponiert auf die Grasfläche mit Blick aufs Meer. Unser erster Biwakplatz liegt nah am Fluss, an dem ich abends Wasservorrat filtere.

Die Küche bleibt heute kalt, denn alle sind müde und wollen früh schlafen. Früh verziehen wir uns ins Zelt und hören neben uns die Glocken der Pferde, die Klingel der Zahnradbahn nach La Rhune und irgendwann das immer stärker werdende Pfeifen des Windes…

Atlantikküste in Hendaye – Ausgangspunkt der Pyrenäen Überquerung auf dem GR10
Markierung des GR10 auf der ersten Etappe – wir laufen durch das Baskenland, Pays Basque
Aussicht auf Saint-Jean-de-Luz
Etappe 1 von Hendaye bis zum Col des Trois Fontaines
Letzter Aufstieg des Tages – rechts La Rhune mit der Zahnradbahn auf der Rückseite
Erste Übernachtung beim Col des Trois Fontaines

Etappe 2, 21.9.23: Col des Trois Fontaines – Sare

Tageskilometer, Aufstieg/Abstieg: 11,6 km, 183/633

Übernachtung: Biwak in einem Seitenweg am Fluss

Die erste Nacht im Zelt ist unruhig, denn die Pyrenäen und der GR10 scheinen zu testen, ob wir es wirklich ernst meinen. Die Windböen werden immer stärker, pfeifen erst durch den kleinen Wald nebenan und rütteln dann unser Zelt und uns wach. Auf der freien Fläche, die gestern Abend eine gute Idee zu sein schien, sind wir dem Sturm wehrlos ausgesetzt. Andererseits sind wir froh, bei diesem Sturm nicht unter den Bäumen im kleinen Wäldchen zu stehen. Das Zelt hatten wir natürlich bei dem schönen Wetter nur halbherzig abgespannt und dafür drückt der Sturm uns nun das Zelt ein. Irgendwann bessert Till nach, setzt noch zwei Heringe extra und zurrt das Zelt fester. Als der Regen aufs Zelt zu tropfen beginnt, schlafen wir endlich ein.

Doch der Schlaf ist von kurzer Dauer, denn heute ist Arbeitstag für Till. Das heißt früh aufstehen und mit Laptop im Zelt den ganzen Vormittag arbeiten.

Als die Arbeit erledigt ist könnten wir zusammen packen und loslaufen, aber es regnet noch immer. Taktisch warten wir ab und lassen uns von der Müdigkeit der langen Anreise und der Erschöpfung vom viel zu langen ersten Tag übermannen und schlafen nochmal tief und fest ein.

Als der Regen aufhört raffen wir uns auf und packen zusammen. Erst nachmittags um 15 Uhr verlassen wir unseren Platz und laufen weiter nach Sare.

Der Abstieg vom Gipfel ist steil und felsig. Die Steine sind nass und rutschig, sodass wir nur langsam vorankommen. Mal wieder bremsen wir Lola aus, die hier in Rekordzeit runterrasen würde.

In Sare finden wir einen Spar Supermarkt und eine Bäckerei, die uns mit leckerem Kaffee und dem ersten Gateau Basque (baskisches Törtchen) versorgt. Im Supermarkt erweitern wir unseren Vorrat um Salami und Parmesan, um das Abendessen aufzupeppen. Da wir zu zweit unterwegs sind, kann Till mit Lola draußen warten.

Wir verpassen einen Abzweig, laut Karte kommen wir aber mit kleinem Umweg zurück auf den GR10. Also laufen wir weiter.

„Jeder Weg bietet neue Möglichkeiten“, versucht Till die Stimmung zu retten.

Dann endet der Weg in einer Sackgasse. Er ist so zugewachsen, dass wir einfach nicht durchkommen.

„Na toll, wo sind denn jetzt die neuen Möglichkeiten?!“, alle sind genervt.

In diesem Moment erkennen wir beide gleichzeitig das Potential unserer Sackgasse – der ideale Schlafplatz für heute Nacht. Das Wetter ist gnädig und der Regen fängt erst an, als das Zelt steht.

Heute koche ich uns Gemüse-Couscous mit Parmesan und Salami. Das Gemüse hatte ich zu Hause im Dörrautomaten getrocknet, um damit Couscous oder Kartoffelbrei anzureichern. Zwiebeln, Knoblauch, Karotten und Zucchini werden in Wasser eingeweicht, um sie zu rehydrieren, dann wandert alles in einen Topf mit Couscous und dem Rest. Es schmeckt köstlich!

Pferd in den Pyrenäen
Die Farben des Baskenlandes: Grün, Rot und Weiß. Die Häuser sind oft weiß mit roten Fenstern
Gestärkt laufen wir aus Sare weiter, der Regen ist erstmal vorbei

Etappe 3, 22.9.23: Sare – Ainhoa – Gainekoborda

Tageskilometer, Aufstieg/Abstieg: 13,2 km, 601/238

Übernachtung: Biwak bei der privaten Schutzhütte Gainekoborda. Wasser vorhanden, Außen-WC, überdachter Sitzbereich

Nachts und Morgens regnet es wieder und es kostet Überwindung das Zelt schnellstmöglich in der Regenpause abzubauen.

Heute tauschen wir die Rucksäcke. Till hat etwas Schmerzen in der Hüfte, vielleicht liegt es am Rucksack oder dem Bauchgurt. Wir packen so, dass der große Rucksack die voluminösen Sachen trägt, aber nicht zu schwer wird, also Schlafsäcke, Isomatten, Crocs. Till trägt die schweren Sachen im kleinen Rucksack – Laptop, Hundefutter, Fressalien.

Am Flussufer entlang laufen wir bis in den kleinen Ort Ainhoa. Es gibt keine Pferde oder Schafe auf dem kleinen Flusspfad, sodass Lola frei laufen kann. Ganz so flach wie auf der Karte ist der Weg jedoch auch hier nicht, immer wieder schlängeln wir uns hoch und runter.

Bei Regen kommen wir in Ainhoa an und stellen uns in einem überdachten Gang unter. Am Ende des Ganges befindet sich das Pain d’Epice, eine kleine Lebkuchen-Fabrik. Ich bestelle zwei Kaffee Creme in der Annahme es handelt sich um einen großen schwarzen Kaffee (kein Espresso wie in Frankreich üblich). Als die Dame hinter der Theke aufgewärmte Milch in den schwarzen Kaffee schütten will, kann ich gerade noch Stop rufen, denn wir trinken unseren Kaffee schwarz. Irritiert schaut sie mich an, denn bei Creme handelt es sich in Frankreich natürlich um Milch/Sahne, wie mir gerade klar wird. Dazu genießen wir den Probierteller mit den verschiedenen Gewürzbrotsorten: Honig, Marone und Orange.

Als wir die Besitzerin fragen, wo wir in Ort noch einkaufen können, lacht sie uns beinah aus. Ihre Antwort deuten wir als: „Einkaufen? In diesem Kaff gibt es doch keinen Supermarkt!“. Das Abendessen wird also nicht mit Käse angereichert, auch etwas frisches können wir nicht kaufen.

Nach Ainhoa geht es steil den Berg nach oben. Die Schotterstraße ist breit und lässt sich sehr gut laufen. An einer Kirche mit Friedhof und toller Bergkulisse schneidet unser Weg den Hang und verläuft ab hier flacher.

Zum ersten Mal merke ich den kühlen Wind an den Beinen. Am Col de Trois Croix windet es enorm und ich fürchte an der geplanten Übernachtung am ausgesetzten Gipfel Col Mehatche wird es noch schlimmer.

So weit kommen wir aber gar nicht, denn die private Schutzhütte Gainekoborda ist so einladend und perfekt, dass wir beschließen hier zu bleiben. Eine Steinhütte mit Wasser, Tischen und Stühlen. Flache Wiese, vorbeirennende Schafe, grasende Pferde, die perfekte Bergidylle!

Lola frisst ausgiebig und verschwindet schon im warmen Daunenschlafsack, während wir Kartoffelbrei mit Knoblauch, Salami und getrockneten Tomaten essen.

Ainhoa am Regentag
Pain d’Epice – Lebkuchen Probierteller in Ainhoa
Pause im trockenen Vorraum der Lebkuchen Fabrik in Ainhoa
Interessanter Friedhof hinter Ainhoa
Zelten an der Hütte Gainekoborda
Zeltchaos und Lola mittendrin

Etappe 4, 23.9.23: Gainekoborda – Ferme Esteben Borda – Col de Méhatché – Bidarray

Tageskilometer, Aufstieg/Abstieg: 15,6 km, 533/833

Übernachtung: Biwak bei der Gite Aire Zabal auf separater Zeltwiese, 12€, WC und Waschbecken auf der Wiese, Duschen gibt es beim Rathaus (300 m entfernt) mit maximal lauwarmem Wasser

Nachts und morgens ist wieder nasskaltes und ungemütliches Wetter. Wir harren im Zelt aus, bis der Regen aufhört und laufen erst um 11 Uhr los. Lola liegt bis zum letzten Moment im Schlafsack, erst als das Zelt abgebaut wird, wechselt sie beleidigt in die Schutzhütte.

Auf einer Schotterstraße kommen wir zügig voran und beobachten Hütehunde bei ihrer Arbeit. Border Collies on Aktion zu sehen ist beeindruckend, denn in einer Wahnsinns Geschwindigkeit treiben sie die komplette Herde von einem Ort zum nächsten. Auch Lola schaut neugierig zu.

Bei der Ferme Esteben Borda wollen wir zu Mittagessen. Die vielen Hofhunde fangen uns bellend am Eingang ab. Sie sehen zwar nicht aggressiv aus, sind aber aufgeregt und bedrängen uns. Das ist Nichts für unsere schüchterne Lola, wir trauen uns nicht rein. Einen Hund auf Abstand zu halten ist eine Sache, aber hier sind es 4 Hunde. Till tritt mit Lola den Rückzug an und ich besorge einfach Sandwiches zum mitnehmen. Das Baguette ist mit Schinken aus dem Land (Jambon der Pays, eine Art Serrano Schinken) und Schafskäse belegt. Ohne Schnickschnack, aber teuer, dennoch sind wir froh, dass es überhaupt etwas gibt.

Gestärkt laufen wir bis zum Col de Méhatché, von hier aus geht es steil und sehr anspruchsvoll ins Tal nach Bidarray. Hier ist Trittsicherheit und Schwindelfreiheit gefragt, schwierige Abschnitte sind mit Stahlseil gesichert. Mein Körper ist noch nicht an diese Herausforderungen gewöhnt, mehr als einmal knalle ich härter als erwartet irgendwo rein. Die Stöcke helfen zwar, rutschen aber auf den felsigen Stellen teilweise weg. Till tut sich leichter und hat offensichtlich mehr Trittsicherheit. Und Lola tippelt leicht wie eine Feder den Berg nach unten. Sie läuft hier frei, anders ist es bei den diesem unwegsamen Gefälle nicht machbar. An der Leine würde sie uns in ihrer Eile einfach nach unten ziehen, denn manche Passagen sind länger als ihre Leine. An einem großen Felsblock will ich ihr helfen, was sie vehement ablehnt. Sie sucht sich lieber ihre eigenen Wege und weiß offensichtlich sehr genau was sie kann.

In Bidarray kommen wir pünktlich in den Supermarkt Vival by Casino und kaufen ein. Der hat sogar sonntags geöffnet.

Bei dem Hostel im Ort (Gite Aire Zabal) können wir auf der Zeltwiese biwakieren. Wasser und eine Toilette gibt es auf der Zeltwiese, die Dusche ist allerdings beim Rathaus, also ca. 300 m entfernt.

Wir lernen zum ersten Mal andere GR10 Wanderer kennen. Ein Deutscher, der in die Gegenrichtung läuft, einen Holländer und einen Dänen, die morgen ebenfalls in unsere Richtung laufen.

Vormittags immer noch Regen & Wolken
Schafe überall auf dem GR10 im Pays Basque
Kurz vor der Ferme Esteben wo wir uns ein Sandwich holen können
Sehr steiler und ausgesetzter Abstieg nach Bidarray, teilweise durch Stahlseile gesichert
Zeltfläche der Gite Aire Zabal in Bidarray

Etappe 5, 24.9.23: Bidarray – Saint Etienne de Baigorry

Tageskilometer, Aufstieg/Abstieg: 18,4 km 1166/1163

Übernachtung: Campingplatz Iroulegy

Morgens ist es erfrischend kühl und auf dem Weg zur Toilette streifen meine Füße in den offenen Croc-Sandalen durch das hohe, noch nasse Gras. Über mir leuchtet der Sternenhimmel in einer Intensität, die ich aus dem Rhein-Main-Gebiet nicht kenne.

Heute steht eine lange und anstrengende Etappe an. Als erstes von drei grünen MSR Zelten verlassen wir den Platz.

Am Ortsausgang laufen wir nun in die andere Richtung und die neue Wegführung weicht von den GPX Daten, die ich auf meiner Uhr habe ab. Zur Sicherheit bestätige ich die Wegführung in der OSMand App auf dem Handy.

Der Anstieg beginnt ab dem ersten Meter. Nach der kühlen Nacht habe ich noch mein langärmeliges Oberteil an, dass ich schon nach wenigen Metern überhitzt ausziehe. Die Sonne scheint und es ist fantastisches Wetter. Der Sonntag lockt deshalb neben uns auch viele Tageswanderer in die Berge, die uns ohne Gepäck schnell überholen.

Der Weg nach oben ist steil und schweißtreibend. Wir machen regelmäßig Pause und versuchen das Loch in Tills Magen zu stopfen.

Der steinige Weg wird irgendwann zum Wiesenpfad und am Grat nähern wir uns langsam dem Gipfel. Lola findet ein Wasserloch und säuft und säuft. Das Hecheln verbraucht viel Flüssigkeit und der Snack zwischendurch macht sowieso durstig. Kurze Zeit später schiebt sich die Schafherde genau an diesem Wasserloch vorbei, wie wir von weiter oben beobachten.

Der erste Gipfel und höchste Punkt der Etappe am Pic d’Iparla ist schließlich erreicht. Von Meereshöhe in Hendaye sind wir zum ersten Mal auf über 1000 m. Die Aussicht ist fantastisch. Wir blicken auf grüne, landwirtschaftlich geprägte Wiesen und Felder. Einige wenige Häuser und noch weniger Dörfer liegen in den Tälern vor uns.

Nun pendeln wir auf einem Pfad nah an den Klippen entlang hoch und runter. Schwindelfreiheit ist hier gefragt. Die Wege teils steinig und felsig, aber nicht so abschüssig und gefährlich wie gestern. Bei weitem nicht.

Am Col d’Harrieta gibt es ein tollen Biwakplatz, den wir leider nicht nehmen können, weil Till morgen früh gutes Internet benötigt.
Die Landschaft wechselt radikal von offener Wiese zu Wald. Till und Lola machen Pause, während ich mit den leeren Flaschen zur 300 Meter entfernten Quelle laufe. Unsere 3L Wasser sind bis auf den letzten Tropfen leer.
Im Wald sitzen wir eine Weile und Lola darf ihre dringend benötigte Schlafpause machen. Auf ihrer Decke kommt sie zur Ruhe, streckt alle Viere von sich und schläft so tief, dass sie nicht Mal die Salami bemerkt, die wir direkt neben ihr essen. Bei langen Etappen plane ich immer mindestens eine große Schlafpause ein, die meist wahre Wunder beim Hund bewirkt.

Mittlerweile haben uns scheinbar alle anderen Wanderer überholt, denn ab jetzt laufen wir quasi allein.

Am Grat entlang laufen wir gefühlt jede Ecke ab und kommen immer wieder an wilden Pferden vorbei, die hier einfach rumstehen.

Als wir denken, es geht nur noch bergab, stehen wir plötzlich vor einem Berg, der im Höhenprofil kaum zu sehen ist. Klar, bei einem Anstieg von über 1000 Höhenmeter kann so ein kleiner Hügel von 150 m schnell mal übersehen werden. Pyrenäenflach, nennen wir das ab jetzt.

Als endlich der Abstieg beginnt kommen wir schnell voran. Oft laufen wir auf Wiese, was wir beide als angenehm empfinden.
Die letzten 6 km ziehen sich. Wir machen nochmal Pause und Lola schläft erneut 20 Min tief und fest.

Die letzte Stunde ziehen wir zügig durch bis zum Campingplatz Irouleguy in Leispars. Nach knapp 11 Stunden kommen wir an.

Jetzt ist Arbeitsteilung gefragt. Till baut das Zelt auf und ich besorge Pizza aus dem nahegelegenen Saint Etienne de Baigorry. Die Krönung des wunderschönen Wandertages ist die erste heiße Dusche seit Hendaye!

Am nächsten Tag steht der erste lauffreie Tag an.

Den Großteil des Pausetags verbringen wir auf dem Campingplatz und schieben die Sitzbank dem Schatten hinterher, um die über 30°C auszuhalten. Im Supermarkt nebenan besorge ich eine neue Unterhose für Till, denn eine der beiden kostbaren Stücke muss bereits an den ersten Tagen verloren gegangen sein.

Der Großteil der Steigung ist geschafft – nun geht es immer am Grat entlang
Freilaufende Pferde sieht man überall in den Pyrenäen
Am Col d’Iparla
Unterwegs auf dem GR10 zwischen Bidarray und Saint Etienne de Baigorry
Schöne Aussicht bei sonnigem Wetter

Etappe 6, 26.9.23: Saint-Etienne de Baigorry – Col d’Aharza – Col de Leizarze – Col d’Urdanzia – Munhoa – Saint-Jean-Pied-de-Port

Tageskilometer, Aufstieg/Abstieg: 20,3 km, 976/952

Übernachtung: Camping Municipal Saint-Jean-Pied-de-Port

Praktischerweise kommen wir morgens auf dem Weg durch Saint Etienne de Baigorry bei einer Bäckerei und einem Café vorbei, sodass Instantkaffee und Müsli gegen leckeren Kaffee und französische Backwaren eingetauscht werden.

Die Wege sind heute breit und lassen sich sehr gut laufen. Till und ich schieben uns behäbig nebeneinander den Berg nach oben, während es Lola Leichtfuß nicht schnell genug gehen kann. Der gestrige Pausetag hat ihr offensichtlich (zu) gut getan. Zwei Vierzigtonner und ein Ferrari wäre wohl das passende Bild von uns auf der GR10 Autobahn.

Der Munhoa ist der höchste Punkt des Tages. Seinen Namen hat er aus dem baskischen, Munho ist das gebräuchliche baskische Wort und bedeutet „Hügel“. Wir erreichen ihn über einen langen Anstieg auf einer Wiese. Oben angekommen können wir das Etappenziel bereits sehen.

Das erste steile Stück steigen wir auf Wiese bergab. Dann laufen wir auf einer Schotterstraße in Serpentinen nach unten und kommen zügig voran.

Das letzte Stück über wenig befahrene, asphaltierte Straßen erinnert mich sehr an die Zeit auf dem französischen Jakobsweg Via Podiensis, den ich letztes Jahr mit Lola gelaufen bin. Pünktlich am Ortseingang sind die kritischen Stellen, an denen oft Hofhunde frei herumlaufen. Mein Gefühl täuscht mich nicht, auch hier rennen uns zwei engagierte Hofhunde zum Prüfen der Lage entgegen. Wir entscheiden je nach Situation, ob wir einfach zielstrebig weiterlaufen und die Hunde ignorieren oder die Hunde ‚auf Abstand halten‘. In diesem Fall ist neben dem entspannten Border Collie noch ein aufdringlicher Hund dabei. Während ich mit Lola vorneweg laufe, hebt Till hinter mir die Wanderstöcke, was bereits ausreicht, um ihn zurück zu weisen. Auf diese Weise hatten wir bisher noch nie Probleme mit frei laufenden Hunden.

Als wir das Zentrum von Saint-Jean-Pied-de-Port erreichen, werden Erinnerungen wach. Hier ist der Ausgangspunkt für den Jakobsweg Camino Frances, der durch Spanien nach Santiago de Compostela führt. Letztes Jahr bin ich hier Ende November mit Lola auf unserer Pilgerreise von der Haustür nach Portugal angekommen. Ein emotionaler Moment, denn es war der Übergang von Frankreich nach Spanien, vom Herbst in den Winter.

Diesmal haben wir bestes Wetter und mieten uns auf dem Campingplatz ein. Viele andere Zelte stehen auf dem beliebten Platz, darunter viele Radfahrer und Motorradfahrer. Auch Wanderer mit Hund sehen wir.

Wir nutzen die gute Infrastruktur, denn bereits nach den ersten Etappen braucht Till eine neue kurze Hose. In der Boutique du Pelerin, einem Outdoor Geschäft finden wir eine neue Gaskartusche mit Schraubgewinde. Außerdem legen wir uns noch zwei Sea-to-Summit Dry Bags zu. Darin wollen wir das Zelt wasserdicht verstauen, denn es hat aus der Zelttasche in den Rucksack getropft. Auch die Regenklamotten bekommen aus diesem Grund nun einen eigenen Dry Bag verpasst.

Abends finden wir ein Restaurant mit (Pilger)Menü, Lola dürfen wir mitnehmen.

Etappenstart in St-Etienne de Baigorry
Auf den Farn bewachsenen Hängen Richtung Munhoa und Saint-Jean-Pied-de-Port
Aussicht vom Munhoa auf Saint-Jean-Pied-de-Port
Die letzten Kilometer verlaufen flach auf ruhigen Straßen
Saint-Jean-Pied-de-Port
Saint-Jean-Pied-de-Port

Mehr von der Fernwanderung auf dem GR10

Alle Informationen zur Planung & Durchführung der Pyrenäenüberquerung mit Hund habe ich im Blogbeitrag GR10 mit Hund: Planung & Wissenswertes beschrieben.

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4 Antworten auf “GR10: Pyrenäen Tagebuch #1 Unterwegs im Pays Basque”

  1. Hallo ihr Lieben. Euer Blog ist wieder eine Bereicherung in meinem Leben. Er ist wunderschön, erlebnisreich, informativ und sehr liebevoll geschrieben. Liebe Lola, du machst das ganz toll und somit stehen dir wirklich die Golosinas zu. Habt weiterhin ganz viele neue Eindrücke und Erlebnisse.
    Es grüßt euch ganz herzlich eure Ulli

    Antworten

    1. Hallo Ulli,
      Vielen Dank für deinen Kommentar! Wie schön, dass du uns auf der Wanderung durch die Pyrenäen begleitest. Wanderhund Lola wird reichlich mit Golosinas bedacht. Herzliche Grüße von uns

      Antworten

  2. Hall Ihr drei, Eure Erlebnisse sind mal wieder bombastisch, Euer Bericht verständlich und nachvollziebar geschrieben. Es tut gut, angesichts schlimmer News sich damit abzulenken. Lola ist ein tapferes kleines Kerlchen.🐶 Hoffe, Tills neue Unterhose sitzt, paßt und hat Luft. Ha ha.
    Paßt auf Euch auf. DasTantchen

    Antworten

    1. Hallo Geni,
      lieben Dank für deinen Kommentar! Es freut uns, dass wir dich etwas ablenken konnten. Wanderpfötchen Lola ist weiterhin topfit und wir haben Schwierigkeiten mitzuhalten 😉
      Liebe Grüße von uns aus den Pyrenäen

      Antworten

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