E1 Hanau nach Frankfurt – Rein ins Abenteuer!
Pilgern vor der Haustür! Der erste Tag meiner Wanderung bis Portugal beginnt direkt vor meiner Haustüre. Morgens um 6.45 Uhr schließe ich die Tür hinter mir und laufe auf wohl bekannten Wegen los. Alles sieht aus wie immer und doch ist alles anders.
Eine Gänsehaut läuft mir über den Körper. Der Grund ist jedoch nicht die Aufregung, sondern vielmehr die kurzen Sportklamotten, die trotz warmem Sommerwetter so früh eigentlich noch zu kalt sind.
Normalerweise gehe ich diesen Weg Richtung Rochusplatz, wenn ich zur Bushaltestelle laufe oder Gassi gehe. Ich fahre hier mit dem Fahrrad und noch öfter mit dem Auto überall hin. Diesmal habe ich jedoch einen großen Rucksack auf, der mit Tagesgepäck zwar noch nicht allzu schwer beladen ist, dennoch beim Laufen auf dem Rücken hin und her wankt.
Neben mir läuft meine treue Wanderpartnerin, die kleine Mischlingshündin Lola. Seit gestern Abend der Rucksack gepackt wurde war die Aufregung groß, wo es wohl hin geht und ob sie auch mit darf? Noch ahnt sie Nichts von den Ausmaßen der langen Gassirunde.
Mein erster Halt ist der Lieblingsbäcker auf der Hauptstraße in Großauheim, schließlich macht Wandern hungrig. Lola wird draußen angebunden wird, daran muss sie sich ab jetzt gewöhnen. Mit Schokocroissant und Knusperstange beladen komme ich schließlich ans Mainufer.
Die nächsten Tage werde ich auf dem Mainradweg über Frankfurt bis Mainz laufen. Von dort geht es weiter mehr oder weniger am Rhein entlang bis Bingen (Übersicht Hanau-Bingen).
Die ersten Schritte sind getan – aber wovon eigentlich?
Diese ersten Kilometer sind der Beginn einer langen Reise, die mich von meiner Haustüre in Hanau über das Hunsrück nach Frankreich und von dort über den Jakobsweg durch Frankreich und Spanien bringen soll, bis ich in Santiago de Compostela ankomme. Von dort geht es weiter an der Küste in den Süden nach Portugal. Mein Ziel ist der westlichste Punkt auf Europas Festland. Über 3000 km und voraussichtlich mehrere Monate werde ich zu Fuß unterwegs sein. Laufen. Essen. Schlafen. Das ist ab heute mein neuer Alltag. (Link zu Idee & Route).
Die ersten 4 Etappen von Hanau bis Bingen laufe ich als Tagestouren. So muss ich noch nicht allzu Gepäck schleppen, schlafe in gewohnter Umgebung und im eigenen Bett. Außerdem kann sich der Körper so an das Laufen mit Rucksack gewöhnen. Somit gleite ich sanft in mein Abenteuer und kann mich langsam an den neuen Rhythmus gewöhnen. Dank des 9€ Tickets, ist es außerdem eine sehr günstige Variante die ersten Etappen zu bewältigen.
Unterwegs auf dem Mainradweg
Bekanntlich beginnt jede Reise mit dem berühmt berüchtigten ersten Schritt und den habe ich ja mittlerweile erfolgreich hinter mich gebracht. Ich bin nicht aufgeregt und kann eigentlich noch gar nicht richtig begreifen, dass dies der erste Tag von einer so langen Tour sein soll.
Am Main entlang laufe ich auf heimischen Wegen, die ich sonst nur mit dem Fahrrad befahre. Von Großauheim bis Steinheim dauert es per pedes eine gefühlte Ewigkeit und Steinheim zieht sich in die Länge.
Auf diesem Abschnitt ist die Wanderung eine Zeitreise durch mein Hanauer Leben – jeder Stadtteil oder Abschnitt des Weges ist mit Erinnerungen verbunden, die ich nun in der Langsamkeit und Stille des Weges am frühen Montagmorgen Revue passieren lasse.
Die Ruhe im Kopf hält nicht lange.
Immer wieder kreisen die Gedanken jetzt um das Schokocroissant im Rucksack. Es will mich auf eine Bank locken zum Frühstücken und Pause machen. Aber ich kann doch nicht schon nach 30 Minuten Pause machen, oder? Überhaupt, wie kann es sein, dass ich auf eine über 3000 km lange Wanderung aufbreche und statt Aufregung und Vorfreude zu spüren nur ans Essen denke?
Gegen 10 Uhr hat das Schokocroissant den Kampf gewonnen und ich gönne mir die erste Pause auf der Höhe von Schloss Philippsruhe, nur auf der anderen Mainseite. Die Füße schmerzen bereits und ich klebe vorsorglich die Fersen mit Polster ab, eine Methode die bei mir zuverlässiger funktioniert als Blasenpflaster. Lola ist von all dem unbeeindruckt und schnuffelt interessiert die Umgebung ab, während ich fluchend den Fuß verarzte. Die leichten und luftigen Joggingschuhe hatte ich wegen der Hitze und dem leichten Gepäck für diese leichte Etappe gegenüber den Wanderschuhen bevorzugt. Das war offensichtlich nicht die richtige Schuhentscheidung, stelle ich verärgert fest.
Info: Blasen am Fuß können die schönste Pilgerreise verderben. Damit du gut vorbereitet bist und blasenfrei nach Santiago kommst, habe ich dazu folgenden Beitrag verfasst: Blasen an den Füßen beim Pilgern? Vermeide diese 7 Fehler!
Nach und nach lasse ich die vertrauten Abschnitte hinter mit und sehe nun die Abzweige zu den S-Bahn Haltestellen Dietesheim, Mühlheim, Offenbach…
Viele Radler sausen an mir vorbei. Einzeln oder in Gruppen. Mit oder seltener ohne Motor. Ich bin neugierig (oder ist mir bereits langweilig?), deshalb versuche ich Gesprächsfetzen einzusammeln. Gar nicht so einfach, denn entweder schwätzt keiner oder die Leute sausen so schnell an mir vorbei, das ich einfach nicht mitkriege was die Leute auf den Mainradweg bringt. Obwohl ich mit Wanderrucksack ungewöhnlich aussehen muss, spricht mich den ganzen Tag niemand an.
Einfach nur laufen, die Gedanken schweifen lassen und den Moment zu genießen ist gerade nicht möglich, weil es ständig irgendwo zwickt und drückt und noch nichts seinen festen Platz hat. Aller Anfang ist schwer.
Die Kilometer kriechen dahin und in Offenbach geht es zum Mittagessen ins Bistro. Lola nutzt die Zeit für ein Nickerchen auf den Holzbohlen. Die Hitze ist mittlerweile unerträglich und die Kellnerin staunt nicht schlecht als sie zwei Getränke und zwei Essen an einen Tisch mit mir als einzigem Gast bringt.
Von hier aus ist Frankfurt plötzlich ein Katzensprung, die Kilometer schmelzen plötzlich dahin und alle Wehwehchen scheinen vorerst verschwunden. Irgendwann hat mein Körper wohl beschlossen, sich mit der Hitze und den schmerzenden Füßen abzufinden. Lola fordert bei dem warmen Wetter zunehmend mehr Trinkpausen. Zum Glück bietet das Mainufer in Frankfurt dafür überraschend viele schattige Plätze.
Wir genießen den Ausblick auf die Skyline, laufen aber trotz Großstadt sehr ruhig auf unserer Mainseite. Das ändert sich als wir auf dem Holbeinsteg den Main überqueren und durchs Bahnhofsviertel zum Frankfurter Hauptbahnhof laufen.
Den ersten Stempel für den Pilgerpass besorge ich mir erst am dritten Tag an der Touristeninformation am Römer. Alternativ gibt es den Stempel am Eingangsportal des Bartholomäus-Doms.
Pilgern vor der Haustür? Der erste Tag ist geschafft!
Um 15.26 Uhr sitze ich im Zug nach Hause. Die ersten 30 km sind geschafft! Heute Abend freue ich mich erstmal auf ein kühles Fußbad. Lola liegt fix und fertig an meinen Füßen, obwohl sie Zug fahren eigentlich gar nicht gerne mag. Ich glaube sie schläft gut heute.
Beim Rattern des Zuges denke ich über den Tag und die vielen kommenden Lauftage nach. Gerade kann ich mir nicht vorstellen, morgen weiter zu laufen. Wo ich doch gerade erst angekommen bin. Das wird also mein neuer Alltag: Laufen. Essen. Schlafen. Wird es mir bald langweilig? Wird Lola es schaffen? Was erwartet mich unterwegs?
Auf jeden Fall, war dieser Tag schon ein kleines Abenteuer für sich, stelle ich zufrieden fest. Pilgern vor der Haustür heißt zu Hause loslaufen und einfach schauen, wie weit man auf den eigenen Füßen kommt. Was sonst per Fahrrad so schnell geht, ist plötzlich eine Tagesaufgabe. Die Langsamkeit zwingt einen dazu, alles intensiv wahrzunehmen. Eine interessante Erfahrung!
Und was habe ich für den morgigen Tag gelernt? Wenn man gut eingelaufene Wanderschuhe hat, dann sollte man sie auch benutzen.
Übersicht Tag 1
Etappe: Hanau – Frankfurt
Strecke: Auf dem E3 Mainuferradweg entlang. Flache und einfache Strecke. Viel Asphalt und mehr Schatten als gedacht.
Tageskilometer: 30 km
Gesamtkilometer: 30 km
Datum: 8.8.22
Mögliche Übernachtung für Pilger in Frankfurt im Diakonissenhaus
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